Pepper X
© Björn Höller

Pepper X

So, jetzt habe ich sie vor mir liegen: die neue schärfste Chillishote der Welt. Ich interessiere mich grundsätzlich für Hot Saucen, das schon, und ja, ich rühme mich damit, dass ich in indischen Restaurants »indische Schärfe« wählen und genießen kann, aber (!) freiwillig diese von Chilli-Freaks hochgezüchtete Bombe zu mir zu nehmen, fiele mir im Traum nicht ein. Aber wie so oft zeichnet das Leben unerwartete Pfade, die zu betreten geradezu in der Natur der Sache liegt. Die Chillischote wollte gefunden werden und so war auch ich dazu ausersehen, sie zu finden. Was ein beruhigender Gedanke ist (Moment mal! Ist das nicht aus irgendeinem Film?).

Eigentlich wollte ich doch nur ein paar Hot Saucen als potenzielle Weihnachtsgeschenke in den Blick nehmen. Und da ich gerade in Berlin war, besuchte ich fix noch einen Chillishop. Ein kurzer Wortwechsel mit dem sehr netten Experten hinter der Theke und schon hielt ich sie in der Hand, die Pepper X. Gelb, irgendwie glänzend, so als würde sie schwitzen aufgrund ihrer eigenen Schärfe. Und dann der Geruch: beißend, stechend, kratzend im Hals. Was für eine Potenz! Was für eine Gefahr?

Und jetzt sitze ich hier vor meinem Laptop, schreibe die einleitenden Worte für meine Rezension, während mich ein feinsäuberlich abgetrennter Streifen der schärfsten Chillischote der Welt anstrahlt. Bedrohlich, geradezu hämisch grinsend, wartet die unglaublich verschrumpelte, spöttisch mir schon in die Nase steigende Frucht; die ich ausschließlich mit Zewa-Handschuhen anfasse. Was jetzt an Text folgt, ist die direkte Wiedergabe meiner Erfahrung des Verzehrs und dessen Folgen.

Auf einer Messerspitze führe ich den Chillistreifen zu meinem Mund …

Fruchtiger als ich gedacht hätte. Und im ersten Moment gar nicht mal so scharf! Ich kaue noch, damit die Verdauung einfacher abläuft. Alles klar. Jetzt wird es scharf. Sehr scharf. What the … Aber es ist eine interessante Schärfe, die sich steigert und steigert. Langsam treibt es mir die Tränen in die Augen. Zuerst war ich enttäuscht. Jetzt sitze ich hier mit Freudentränen und einem Grinsen. Ein Grinsen über meinen anfänglichen Übermut. Die Schärfe ist bombastisch! Ich dachte wirklich, dieser kleine Streifen kann mir nichts anhaben. Ich merke wieder einmal, dass meine Demut nicht ausreichend war. Dass ich meinte, ein Streifen, ein kleiner Streifen der schärfsten Chilli der Welt, würde mich langweilen. Wie vermessen!

Oh, was für ein beinahe poetischer Build up. Ich befinde mich jetzt am Höhepunkt der Schärfe. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, die Ohren sind wie betäubt, die Nase läuft, die Atmung ist intensiviert und verschnellert … der Kopf schwirrt … aber sie setzt langsam am … die wie in Watte gepackte Dankbarkeit über diese Erfahrung … die Hitze hat langsam ganz Beschlag eingenommen von meinem ganzen Körper. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob die Worte, die ich schreibe, grammatikalisch korrekt sind, ob sie irgendeine Bedeutung haben. Egal. Jetzt zieht sich mein Brustkorb, genauer mein oberer Magen zusammen. Ich hoffe, er verkraftet die Schärfe.

Ich erlaube mir eine kurze Schreibpause, eine kurze erste Trinkpause.

Wow! Was für eine Erfahrung. Meine Lippen kribbeln noch und mein Kopf schwirrt, obwohl die Schärfe in meinem Mund mittlerweile nachgelassen hat. Eine angenehme Wärme macht sich in meinem ganzen Körper breit und ein Schub von Glückseligkeit erfasst mich. Erstaunlicherweise schmeckt die Pepper X gut! Fruchtig, aber irgendwie auch reif und ernst. Wie eine Erwachsene, die das Spielen nicht verlernt hat. Im Anfang noch zart und im ersten Mundgefühl vergleichbar mit einer handelsüblichen Habanero, dann aber stetig sich intensivierend. Nicht wie ein Hammerschlag, sondern wie eine nicht enden wollende Ausdehnung. Selbst meine Augenbrauen und meine Stirn begannen zu kribbeln. Das hatte ich so noch nie.

Die Pepper X ist – wenig passend zu ihrem Namen – elegant! Das habe ich nicht erwartet (die Grummelgeräusche, die gerade von meinem Magen aufgestiegen sind, dagegen schon). Ich wurde nicht erschlagen von einer fiesen Schärfe, sondern behutsam herangeführt an eine unsagbare Wucht und Intensität. Diese Milde im Build up lässt alle folgenden Verbrennungsgefühle verzeihen. Ebenso der fruchtige Nachgang.

Die Pepper X ist zwar gefährlich, aber sie nimmt einen auch – von der ersten Berührung im Mund, über kribbelnde Lippen und Augenbrauen, bis zum endlichen Nachlassen der Hitze – vertrauensvoll an die Hand.