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Buntspecht

Doch wenn du jetzt gehst
fällt die Türe aus den Angeln
und dann stürzt das ganze Haus
in sich zusammen.

Oh die Plötzlichkeit sie bleibt
unser aller größter Feind
Wie schnell der Wind dreht
hab’ ich nie wirklich verstanden.

Buntspecht: Wenn du jetzt gehst

Es gibt Musik als das Ergebnis von kalkulierter Brillanz. Wo kluge Köpfe mit tollen Ohren Werke schaffen, die für immer sind. Und dann gibt es Buntspecht. Eine Band, die die Flüchtigkeit als Programm hat. Hier zerrinnt alles wie Sand zwischen den Fingern. Die Worte kommen von einem Ort, der kaum zu benennen ist und schaffen ein Panorama kurzweiliger Fragmente. Es tun sich verworrene Teile von Geschichten auf. Sinn und Bedeutung winken einem nur kurz zu, während im nächsten Moment schon die verschlossene Hand im Dunkeln hält, was wir zu erschließen wünschten.

Buntspechts Musik ist eine Erinnerung an die Oral Tradition, wo Sagen und Mythen ohne Verschriftlichung mündlich weitererzählt wurden. Wie zart und zerbrechlich ist so eine Weitergabe? Wie fein ist ein Wort, wenn es jeden Augenblick zu verschwinden droht? Wir hören einer Band beim Musizieren zu. Was bleibt sind ein paar ausdrucksstarke und doch nebulöse Bilder und Bruchstücke von Melodien, Ohrwurm-Schnipsel. Nichts lässt sich hier in Reih und Glied stellen, sanfte Verweigerung der pedantischen Ordnung.

Alltägliches und Bedeutungsvolles wird nebeneinandergestellt und miteinander verwoben. So wie die Band ihre Lieder hierarchielos in anarchistischen Sessions erspielt, sind auch die Inhalte abstufungslos zusammengemengt. Von der »Welt« ins »Bett« zur »Marmelade« und dann das Zählen von »Muttermalen«. Alles lyrisch.

Du spürst die Ekstase
und ich deine Nase.
Es kitzelt am Nabel
und du machst Witze beim Blasen.

Bunspecht: Majorelika

Und dann Jauchzen, Pfeifen, fast schon Krächzen. Lauthals rau ins Mikrofon verkünden, dass alles vorbei ist. Begleitet von spielerischen federleichten Bläsertönen. Eine Liebeserklärung an den Moment. Immer auf einem feinen Seil über einem Abgrund tanzend. Aber mit voller Hingabe, mit Spaß, Spiel und Liebe.

Und dann spürt man in allen Klängen noch diese Leichtigkeit des Träumenden. Das Fallenlassen dessen, was man weiß. Sich herabsinken lassen aus der Lust am Fall. Ein Wort loslassen, einen Ton loslassen, weil die Stille sowieso immer da ist. Eine Stille, die in den schönsten Liedern der Band mit Bedacht umstreichelt wird.

Augen schließen. »Du weißt Bescheid, ein Windhauch allein reicht. […] Egal wovor du Angst hast, es ist halb so schlimm«. Und dann das sphärische Umsorgen einer Stimme im Reverb, die locker gezupten Gitarrensaiten, die versprechen, dass alles gut wird, und der im Tippelschritt voranschreitende Bass.

»Das ist erst der Anfang, wir sind erst am Beginn«. Wie schön! Natürlich mit der großen Hoffnung verbunden, dass in diesem Fall das lyrische Wir auch die Band selbst ist. Denn Lieder, die so fließen – wo besungen wird, was allzu schnell vergessen ist, nichts sich aufdrängt, um zu konservieren, was doch für den Moment war – dürfen gerne gerne immer wieder kommen, da sie selbst schon wissen, dass sie gehen. Und am aller schönsten: Man hört die Liebe, zur Musik und auch sonst.

Und wir liegen schon lang,
sprich seit einer Stunde bei dir,
Und ich seh’ dich bloß an,
während du mich beinah’ berührst.
Denn du wickelst meine Haare,
wie die Welt um deinen Finger.
Und all die Dinge, die waren,
sind es deiner Meinung nach noch immer.

Du bist verrückt genug,
um dich in dieser Welt zu verlieben.
Aber die Welt ist viel verrückter als du
und fast wär’ etwas von uns geblieben.

Buntspecht: Unter den Masken